Anglizismensammlung
von Peter Dalcher

Über die Anglizismensammlung von Peter Dalcher

Die Ursprünge der Sammlung

Abb. 1: Peter Dalcher, um 1980

Die Sammlung wurde vom Anglisten und Germanisten Peter Dalcher (1926–2010) während vierzig Jahren (s. Abb. 1) angelegt. Dalcher, seit 1955 Redaktor und 1974–1991 fünfter Chefredaktor des Schweizerischen Idiotikons, widmete sich 1964/1965 im Rahmen eines Urlaubsjahrs ganz der Erforschung des «Einflusses des Englischen auf die Umgangssprache der deutschen Schweiz». Um herauszufinden, welche englischen Wörter (sogenannte Anglizismen) DeutschschweizerInnen in alltäglichen Situationen schriftlich und mündlich verwenden, rief er mittels Zeitungsinseraten dazu auf, ebendiese Wörter einzusenden. Parallel dazu wandte er sich mit derselben Aufforderung an DeutschlehrerInnen an Mittelschulen. Diese Methode erwies sich jedoch schnell als wenig ergiebig und Dalcher begann darum, selber nach Anglizismen zu fahnden: Er notierte Wörter und Mehrwortausdrücke angelsächsischen Ursprungs, welche er im Gespräch, in Büchern, in Zeitungen und Zeitschriften, in Reklamepublikationen, im Radio usw. hörte oder las. Er beschränkte sich dabei auf schweizerische Quellen, da er nicht den gesamten Sprachkontakt zwischen der deutschen und der englischen Sprache analysieren wollte, sondern sich im Speziellen für die Situation in der Schweiz interessierte. Diese Arbeit führte er bis 2009 fort und übergab schliesslich die auf 6531 Anglizismen angewachsene Sammlung dem Schweizerischen Idiotikon. Diese Schenkung stattete er zusätzlich mit einem Betrag von 10'000 Franken aus und verknüpfte das Legat mit der Bedingung, dass sein Werk (elektronisch) erschlossen und der Forschung zu Verfügung gestellt werde. Seit Dalchers Schenkung blieb die Sammlung unverändert. Sie ist daher als historische Sammlung zu verstehen, welche die Anglizismen im Schweizerdeutschen hauptsächlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dokumentiert.

Der Aufbau der Kartothek

Dalcher notierte die Anglizismen auf Karteikarten und sortierte sie alphabetisch in insgesamt 22 Zettelkästen (s. Abb. 2) ein: Pro Anglizismus gibt es jeweils eine Titelkarte (s. Abb. 4), gefolgt von zugehörigen Belegkarten (s. Abb. 5 und 6 ).

Auf der Titelkarte steht der Anglizismus in seiner englischen Schreibweise (z. B. action anstatt äkschen) gefolgt von etwaigen Verweisen auf Mehrwortausdrücke, die den Anglizismus enthalten und auch in der Kartothek dokumentiert sind (z. B. for men of action beim Stichwort action). Ebenfalls anzumerken ist, dass nur das Grundwort (z. B. brush) auf der Titelkarte steht, jedoch in den Belegen auch abgeleitete Formen (z. B. brushing, brushen, brushed) zu finden sind.

Auf den Belegkarten ist beschrieben, wo Dalcher den Anglizismus entdeckt hat. Aufgrund der heterogenen Quellenlage, variieren die Belege von Originalausrissen direkt aus schriftlichen Quellen, handschriftlich notierten Zitaten bis zu in Lautschrift transkribierten Gesprächs-/Radioausschnitten. Jeder Beleg ist datiert und mit dem Namen der Quelle versehen. Die Anzahl der Belegkarten pro Titelkarte resp. Anglizismus variiert: Da es Dalcher darum ging, möglichst viel verschiedene Stichwörter zu erfassen, weisen viele Stichwörter nur einen einzigen Beleg auf. Es gibt aber auch Anglizismen, die über hundertmal belegt sind. Dalcher weist in einem Bericht darauf hin, dass die Anzahl Belege einen Hinweis darauf geben kann, wie etabliert ein Anglizismus ist. Titelkarten, die gar keine Belege aufweisen, stehen für Anglizismen, die ausschliesslich als Teil eines Mehrwortausdrucks und unter einer anderen Titelkarte belegt sind.

Zusätzlich gruppierte Dalcher die Anglizismen nach dem Zeitraum, in dem sie das erste Mal belegt sind: Zum Beispiel ist der älteste Beleg für das Stichwort penalty zwischen 1900–1929 datiert, was Dalcher mit einem blauen Karteireiter an der Titelkarte markiert hat (s. Abb 3). So kann man jetzt beim Durchsuchen der digitalen Sammlung die Stichwörter nach dem Alter des frühsten Belegs (vor 1900, zwischen 1900 und 1929, zwischen 1930 und 1944, nach 1945) filtern.

Abb. 2: Kartothek – Zettelkästen 1–20
Abb. 3: Kartothek – Zettelkästen 13–15


Klicken Sie hier auf den Link, um alle Belege von action zu sehen.

Abb. 4: Titelkarte von action mit Verweisen auf Zusammensetzungen mit action
Abb. 5: 2. Beleg für action, lautschriftlich transkribiert aus Radio DRS, 1992
Abb. 6: 11. Beleg für action aus dem Tagesanzeiger, 1988

Forschung mit der Kartothek als Datengrundlage

Auf der Basis der Kartothek führte Dalcher in der zweiten Hälfte seines Forschungsjahrs 1964/65 eine schweizweite Umfrage durch: Er untersuchte den Gebrauch von 100 ausgewählten Anglizismen aus seiner Kartothek. Die dabei und beim Sammeln für die Kartothek gewonnenen Erkenntnisse präsentierte er über die Jahre in zahlreichen Vorträgen, in Artikeln für Fachzeitschriften und liess sie in Aufsätze als Teil von grösseren Publikationen einfliessen. Hier eine Auswahl an Publikationen von Dalcher:

Dalcher, Peter (2010): Zu Eigen- und Besonderheiten deutschschweizerischer Anglizismen. In: Christen, Helen u. a. (Hg.): Alemannische Dialektologie: Wege in die Zukunft. Beiträge zur 16. Arbeitstagung für alemannische Dialektologie in Freiburg/Fribourg vom 07.–10.09.2008. Stuttgart (ZDL-Beiheft 141), 219–230.

Dalcher, Peter (2000): Über Anglizismen im Schweizerdeutschen. In: Sprachspiegel 56, 197–204.

Dalcher, Peter (1998): Dialektologische Aspekte in den Arbeiten über Anglizismen in der deutschsprachigen Schweiz. In: Ernst, Peter / Patocka, Franz (Hg.): Deutsche Sprache in Raum und Zeit. Festschrift für Peter Wiesinger zum 60. Geburtstag. Wien, 47–62.

Dalcher, Peter (1995): Was tut ein Playboy, wenn er nicht playt? Zum Gebrauch englischer Verben in der Schriftsprache und Mundart der deutschen Schweiz. In: Löffler, Heinrich (Hg.): Alemannische Dialektforschung. Bilanz und Perspektiven. Beiträge zur 11. Arbeitstagung alemannischer Dialektologen. Tübingen und Basel, 55–64.

Dalcher, Peter (1986): Anglicisms in Swiss German. The evaluation by computer of a survey conducted in 1964/5. In: Viereck, Wolfgang / Bald, Wolf-Dietrich (eds.): English in contact with other languages. Studies in honour of Broder Carstensen on the occasion of his 60th birthday. Budapest, 179–206.

Dalcher, Peter (1969): English names in Swiss-German usage. In: Dodgson, J. McN. / Mills, A. D. / Draye, Henri (eds.): Proceedings of the 9th International Congress of Onomastic Sciences, University College London, July 3–8 1966. Louvain, 165–74.

Dalcher, Peter (1968): Etwas vom Boss. In: Schweizerdeutsches Wörterbuch. Bericht über das Jahr 1967, Zürich, 31–38.

Dalcher, Peter (1967): Der Einfluss des Englischen auf die Umgangssprache der deutschen Schweiz. In: Schweizerdeutsches Wörterbuch. Bericht über das Jahr 1966, Zürich, 11–22.

Dalcher, Peter (1967): Eindeutung englischer Wörter im Schweizerdeutschen. In: Schmitt, Ludwig Erich (Hg.): Verhandlungen des Zweiten Internationalen Dialektologenkongresses. Band 1 (Zeitschrift für Mundartforschung. Beiheft N.F.3). Wiesbaden, 180–185.

Dalcher, Peter (1966): Lüntsch und Bluutsch. In: Sprachspiegel 23, 46–47.

Zudem ist mit dem Material aus Dalchers Kartothek folgende Publikation entstanden:

Fischer, Urs (1980): Der Einfluss des Englischen auf den deutschen Wortschatz im Bereich von Essen und Trinken, dargestellt anhand schweizerischer Quellen. Bern.

In das Schweizerische Idiotikon eingeflossen ist die Sammlung in den Artikeln Trolibus, Trambei, Trǖbeltramper, Trǟner, trǟniere, Trǟning, Trops, Tschob, Tschömper, Tschīns, Tschīp, Tschäs(s), tschūten I, Wīkend (Bd XIV 938. 979. 1042. 1070. 1286. 1688. 1739. 1754. 1762, 1799, 1803; XV 1117).

Die Informationen der obigen Abschnitte stammen aus Jahresberichten des Idiotikons und aus Notizen sowie Berichten von Peter Dalcher.